Kindernothilfe. Gemeinsam wirken.

Ärgere dich doch für 50 Cent

 

Text: Gunhild Aiyub, Fotos: Ralf Krämer

Seit fast 30 Jahren engagiert sich der Arbeitskreis Wolfsburg für unser Hilfswerk. Sie treffen sich alle vier bis acht Wochen, um ihre Aktionen zu planen – kreative, tiefgründige, gesellige. Das abolute Highlight jedes Jahr: das Mensch-ärgere-dich-nicht-Turnier im Cafe Schrill. Mit den Einnahmen unterstützen sie unsere Projekte, um die Zukunftschancen von Kindern zu verbessern.

Neben mir sitzt Gisela Oer, Mitglied des Arbeitskreises und vom Typ „liebe Omi“. Ohne mit der Wimper zu zucken fegt sie meine gelbe Spielfigur vom Mensch-ärger-dich-nicht-Brett. Dabei hatte ich minutenlang nur Einsen gewürfelt und war gerade erst aus meinem Häuschen herausgekommen. „Kauf dir doch ne Sechs“, sagt sie ungerührt. „Das ist doch für die Kinder!“ Und dann schmeißt sie noch zwei Sechsen, ganz ohne Geld, und lässt ihre Figuren wie einen schwarzen Block hintereinander über das Spielfeld marschieren.

32 spielfreudige Wolfsburger sind im Café Schrill zum Mensch-ärgere-dich-nicht-Turnier des Wolfsburger Arbeitskreises erschienen – wieder ein paar mehr als bei den bisherigen drei Turnieren. Mit fünf Euro zugunsten eines Äthiopienprojektes der Kindernothilfe ist man dabei. Ein Fachwerkhäuschen, Sofas und Stühle bunt gemischt, kein Tisch gleicht dem anderen, Stehlampen, alte Fotos und Gemälde an den Wänden – die perfekte urige Kulisse für den heutigen Abend. Zuerst eine Stunde Essen, Kennenlernen, Klönen. Arbeitskreis-Gründerin Else Meyer hat drei afghanische Flüchtlinge mitgebracht. Bevor es losgeht, üben die jungen Männer schon mal das Spiel. Die Regeln sind etwas ungewöhnlich – man kann sich Sechsen und Einsen kaufen, mit einem Euro ist man dabei. Schimpfen geht billiger, das kostet nur 50 Cent.

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Die Zockermoms - eine Gruppe von Frauen, die bei jedem Turnier mitmacht
Die Zockermoms sind wieder gut drauf! (Quelle: Ralf Krämer)
Die Zockermoms - eine Gruppe von Frauen, die bei jedem Turnier mitmacht
Die Zockermoms sind wieder gut drauf! (Quelle: Ralf Krämer)

Hier kämpft jeder gegen jeden!

Am hinteren Tisch herrscht Partystimmung – die „Zockermoms“ sind wieder vollzählig erschienen. Die Frauen haben beim ersten Turnier gleich eine Gruppe gegründet und tragen als Zeichen der Gruppenzugehörigkeit Namensschilder.

Um halb acht gibt Ulrike Kloft vom Arbeitskreis das Startkommando. Jetzt zählen Freundschaften und Familienbande nicht mehr, jetzt heißt es jeder gegen jeden. Vom Arbeitskreis sind neun der rund 15 Mitglieder gekommen. Theda Baumann hat eine lange Reihe aus Ein-Euro-Münzen vor sich ausgebreitet – sie vertraut offenbar nicht auf ihr Würfelglück. „Du bist mit meiner Figur gegangen“, protestiert an Tisch 4 jemand. „Das macht sie zu Hause auch immer“, kommentiert der Ehemann der Gescholtenen trocken das Geschehen. Laute Jubelschreie an Tisch 6 –  eine Zockermom hat ihre erste Figur im Häuschen.
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Leute sitzen an einem Tisch und spielen Mensch-ärgere-dich-nicht
Wird er die gelbe Figur vom Spielbrett werfen? (Quelle: Ralf Krämer)
Leute sitzen an einem Tisch und spielen Mensch-ärgere-dich-nicht
Wird er die gelbe Figur vom Spielbrett werfen? (Quelle: Ralf Krämer)
Gespielt werden vier Runden, alle 20 Minuten wechselt man Tisch und Mitspieler und das Spiel beginnt von vorn. Jeder hat zu Beginn ein kleines Kärtchen bekommen, auf dem er seine Punkte eintragen kann. Mit eingeschweißt ein kleines Reinigungs-Pad fürs Handy mit Kindernothilfe-Logo. So bleibt die Kindernothilfe noch lange in Erinnerung.
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Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiele und Robinson-Spendenschachteln
Die Spiele hat der Arbeitskreis gespendet bekommen (Quelle: Ralf Krämer)
Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiele und Robinson-Spendenschachteln
Die Spiele hat der Arbeitskreis gespendet bekommen (Quelle: Ralf Krämer)

Wenn das Geld zum Schimpfen fehlt ...

Die erste Runde ist zu Ende – ich bin Letzte mit einem mickrigen Punkt. Am nächsten Tisch sitzen schon zwei Frauen, der vierte Mitspieler ist männlich und stöhnt: „Gegen drei Frauen spiele ich nicht!“ Muss er aber dann doch. Dass sich die Zockermom in unserer Runde den Sieg erkauft, findet er unsportlich. „Quatsch, ist doch für die Kinder in Äthiopien“, sagt die und schmeißt einen weiteren Euro in das Kästchen. Mit ihrer Sechs befördert sie seine rote Figur nach Hause, die er unvorsichtigerweise auf ihrem Startfeld platziert hatte. Da hilft auch der „Schrille Schutzengel“ nicht, der auf einem alten Radio nebenan thront. „Man kann doch auch hinterher spenden!“, mault er.

„Kann mal jemand die grünen Männchen aufhalten?“, beschwert sich mein Gegenüber. „Karsten hat schon zwei im Häuschen!“ Ich würfele wie immer eine Eins und schmeiße Theda Baumann aus dem Spiel. „Ich hab keine 50 Cent mehr“, stöhnt sie, „ich kann das Wort jetzt nicht sagen, was ich gerne sagen möchte …“ Ich kann schon lange nichts mehr sagen, weil ich kein Kleingeld mehr habe.



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Der Gewinner des Spieleturniers reißt einen Arm hoch
Der glückliche Sieger bekommt zur Belohnung freies Essen und Getränke  (Quelle: Ralf Krämer)
Der Gewinner des Spieleturniers reißt einen Arm hoch
Der glückliche Sieger bekommt zur Belohnung freies Essen und Getränke  (Quelle: Ralf Krämer)
Zwischendurch kommt man mit den Mitspielern ins Gespräch, viele sind Lehrerinnen und Kolleginnen, manch einer arbeitet bei einem deutschen Automobilhersteller, wir unterhalten uns über Schule, Käfer und die Kindernothilfe.

Am Ende siegt Karsten mit 14 Punkten. Café Schrill spendiert ihm Essen und Getränke sowie ein Freigetränk allen Mitspielern, mit denen er in der ersten Runde am Tisch gesessen hat.
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Die Mitglieder des Arbeitskreises Wolfsburg
Der Kindernothilfe-Arbeitskreis Wolfsburg (Quelle: Ralf Krämer)
Die Mitglieder des Arbeitskreises Wolfsburg
Der Kindernothilfe-Arbeitskreis Wolfsburg (Quelle: Ralf Krämer)

Eine geniale Idee, von der alle profitieren

Ich habe ganze sechs Punkte, aber unglaublich viel Spaß gehabt. Der Veranstaltungsort ist wie geschaffen für dieses Turnier, alle Mitspieler waren gut drauf, ich bin sicher, beim nächsten Mal werden viele wiederkommen und weitere Leute mitbringen. Als wir um 23 Uhr gehen, sitzen einige immer noch gemütlich zusammen. Das Äthiopienprojekt bekommt an diesem Abend 316 Euro.

Eine geniale Idee, auf diese Weise Spendengelder zu sammeln. Die Spiele hat der Verlag Schmidt Spiele gespendet, das Café stellt den Raum kostenlos zur Verfügung - es verdient ja auch daran -, die Arbeitskreismitglieder hängen ein paar Plakate auf, machen Werbung über Facebook und Mund-zu-Mund-Propaganda. „Als uns Anne Cordes von dieser Idee mit dem Turnier erzählte, haben wir gedacht, wer will denn heute noch so ein altes Spiel spielen?“, erinnert sich Gisela Oer. „Und dann waren wir total überrascht, wie viele Leute gekommen sind!“

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Zwei Handwerkerkisten mit Bierdosen, Katerpillen und Erdnüssen
Für Männer haben die Wolfsburger ein besonders originelles Angebot an ihrem Weihnachtsmarkt-Stand
Zwei Handwerkerkisten mit Bierdosen, Katerpillen und Erdnüssen
Für Männer haben die Wolfsburger ein besonders originelles Angebot an ihrem Weihnachtsmarkt-Stand

Wellness-Kisten für Männer

Inzwischen hat der Arbeitskreis schon die nächste Veranstaltung erfolgreich hinter sich gebracht: seinen Verkaufsstand auf dem Weihnachtsmarkt im Wolfsburger Schloss. Dort dürfen nur handverlesene Händler teilnehmen – und der Arbeitskreis. Die Kreativen unter den Mitgliedern fangen bereits im Sommer an, Verkaufsartikel herzustellen, denn der Weihnachtsmarkt bringt immer die meisten Spenden ein. Jeder für sich, aber dann auch gemeinsam, weil das mehr Spaß macht. Besonders gefragt sind die „15-Minuten-Advent“-Tüten – mit Kerze, Lebkuchen, Teebeutel und einer Weihnachtsgeschichte. Ein wunderbares Geschenk für sich selbst oder andere, sich im Vorweihnachtstrubel oder auch danach 15 Minuten Zeit zu gönnen. „Man gießt sich eine Tasse Tee auf, zündet die Kerze an, setzt sich gemütlich aufs Sofa, liest die Geschichte und knabbert dabei den Lebkuchen“, erklärt Ulrike Kloft. Die Geschichte kann man sich am Arbeitskreisstand selbst aussuchen. „Besucher aus Vorjahren kommen wieder und fragen nach neuen Geschichten, dabei kommt es immer zu schönen Gesprächen“, freut sich Ulrike Kloft.

Großer Beliebtheit erfreuen sich Wellness-Kisten für Männer. „Männer sind ja immer etwas schwerer zu beschenken“, lacht sie, „da muss es schon etwas Witziges sein.“ Die Männer–Wellness besteht aus einer Papp-Handwerkerkiste mit einer Dose Bier oder einem Energy-Drink, einer Packung Erdnüsse („Magenpeeling“), einer Tüte Pfefferminzdragees („Kater-Pillen“) und einer Anleitung: „Jogginghose anziehen, es sich auf dem Sofa bequem machen, die Dose aufmachen und dabei Magenpeeling knabbern, zehn Minuten dösen, bei Bedarf Katerpillen einnehmen“. Witzige Sprüche als Kaufanreiz hat sich der Arbeitskreis auch einfallen lassen – zum Beispiel „ Der Kopf tut weh, die Beine wanken, höchste Zeit Energie zu tanken“.

 

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Der Äthiopisch-Kochkurs des Arbeitskreises war ein großer Erfolg: Zwei Teilnehmerinnen kochen. (Quelle: privat)
Der Äthiopisch-Kochkurs des Arbeitskreises war ein großer Erfolg (Quelle: privat)
Der Äthiopisch-Kochkurs des Arbeitskreises war ein großer Erfolg: Zwei Teilnehmerinnen kochen. (Quelle: privat)
Der Äthiopisch-Kochkurs des Arbeitskreises war ein großer Erfolg (Quelle: privat)

Weiter geht's!

Im neuen Jahr planen die Wolfsburger wieder ihren Pfingstflohmarkt mit Kleidung und Büchern, die Teilnahme an verschiedenen Festen der Stadt Wolfsburg und natürlich das nächste Mensch-ärgere-dich-nicht-Turnier. Seit fast 30 ahren sind die Mitglieder aktiv. Mehrere Tausend Euro Spenden sammeln sie Jahr für Jahr und interessieren Menschen für unsere Arbeit. Die originellen Ideen gehen ihnen dabei nicht aus – zu ihrem 25-Jährigen hatten sie eine Gewinnaktion auf die Beine gestellt: Wer sein Lieblingsrezept an den Arbeitskreis schickte, konnte die Teilnahme an einem äthiopischen Kochkurs gewinnen. Auch hier war das Ergebnis wieder ein ganz besonderer Abend mit guter Stimmung, leckerem Essen und viel Spaß.

Die Wolfsburger werden auch in den nächsten Jahren weitermachen im Dienste der Kindernothilfe. Dafür sagen wir von ganzem Herzen danke, und wir sind jetzt schon auf ihre nächsten Ideen gespannt!


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Gunhild Aiyub (Quelle: Jakob Studnar)
Gunhild Aiyub ist seit 1986 Redakteurin bei der Kindernothilfe und zuständig für die Kindermedien, den Jahresbericht und das Kindernothilfe-Magazin. 
    

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