Kindernothilfe. Gemeinsam wirken.

Flüchtlingslager in Griechenland: Advocacy-Arbeit für Kinderrechte

Text: Katharina Draub, Foto: DPA

Mehr als 30.000 Menschen harren immer noch in den völlig überfüllten Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln aus. 16.000 davon allein auf Lesbos im Camp Moria, das eigentlich nur Platz für 3.000 Geflüchtete hat. Für Hilfsorganisationen ist es vor allem in der Corona-Krise schwierig, in den Lagern helfen zu können. Frank Mischo, Advocacy- und Kinderrechtsexperte der Kindernothilfe, berichtet über die aktuelle Lage und wie sich die Kindernothilfe politisch dafür einsetzt, Mädchen und Jungen aus den Lagern zu retten.

„Es ist unmenschlich und verletzt jedes Menschen- und Kinderrecht, was da innerhalb der Europäischen Union passiert“, sagt Frank Mischo über die Situation in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln. Die Geflüchteten, darunter Tausende Kinder und Jugendliche, leiden unter unvorstellbaren hygienischen Bedingungen und täglicher Gewalt. „Sie müssen schnellstmöglich aus den Lagern geholt werden. Sie bekommen keine Bildung, und die Gesundheitsversorgung ist katastrophal“, betont Frank Mischo. Viele Kinder sind bereits auf Frachtschiffen zum griechischen Festland gebracht worden. Nur selten in Jugendhilfeeinrichtungen, sondern meistens in überfüllte, gefängnisartige Lager; die Lebensbedingungen dort sind ebenfalls nicht kindgerecht.

 

Mädchen leiden täglich unter sexueller Gewalt

In seinem Job koordiniert Frank Mischo die politische Arbeit der Kindernothilfe in Deutschland, in der EU und der UN. Mit anderen Hilfsorganisationen fordert er von Politikern, Kinder und Jugendliche von den Inseln zu holen und in Sicherheit zu bringen. Unterstützung erhalten die Advocacy Mitarbeitenden bei ihrer Arbeit zum Beispiel besonders von Bärbel Kofler, der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, und von Frank Heinrich, der als Ausschussvorsitzender für Menschenrechte und humanitäre Hilfe für die CDU aktiv ist. „Sie haben unsere Forderungen auf der politischen Schiene umgesetzt“, so Mischo. „Frank Heinrich hat es geschafft, seine Fraktionsmitglieder zu bewegen, noch vor Ostern erste Schritte zu erreichen, um geflüchtete Jugendliche von den Inseln zu holen.“ Mit Erfolg. Erst einmal.


Die Vereinten Nationen und das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR haben mehr als 5.000 Jugendliche und Kinder auf den Inseln registriert. Eine Liste mit Kriterien ordnete die Jugendlichen nach ihrer Notsituation: Unbegleitete und kranke Jugendliche sowie viele Mädchen, die täglich sexueller Gewalt ausgesetzt sind, sollten als Erstes ausgeflogen werden. Am Ende waren dann aber nur noch Deutschland und Luxemburg bereit für die Aufnahme. Belgien etwa konnte aufgrund der Corona-Pandemie nicht mehr mithelfen, da das Land im Hinblick auf die Einwohnerzahl die meisten Corona-Fälle hatte. Ein erster Start und Versuch mit vielen unbekannten Faktoren und Hindernissen. Die Folge: Gerade einmal 47 Jugendliche zwischen acht und 17 Jahren aus Afghanistan, Syrien und Eritrea wurden ausgeflogen – darunter 90 Prozent gesunde Jungen. Genaue Erklärungen dafür sind nicht bekannt, vielmehr wird auf bürokratische Gründe und auf komplizierte Auswahlprozesse verwiesen.

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Mehr als 100 Städte wollen Jugendliche aufnehmen

Trotz der Schwierigkeiten hat der Kinderrechtsexperte der Kindernothilfe Hoffnung für die Zukunft. Denn mittlerweile haben sich mehr als 100 Städte in Deutschland bereit erklärt, weitere Jugendliche aufzunehmen und, wenn nötig, sogar die Kosten dafür zu übernehmen. Die Kapazitäten sind da: Übersetzerinnen, Sozialpsychologen und Unterkünfte. „Für die Städte wäre es keine Belastung. Alleine können sie das jedoch nicht entscheiden. Deswegen setzen sie die Bundesregierung weiterhin unter Druck“, erklärt Frank Mischo, der dafür mit anderen Kinderrechtsorganisationen bereits einen fordernden Brief an Innenminister Horst Seehofer geschrieben hat.

 

Auch Frankreich hat sich derweil dazu bereit erklärt, mindestens 650 Jugendliche aufzunehmen. „Das ist ein weiteres Druckmittel für Deutschland. Es wäre peinlich, wenn hier keine Minderjährigen aufgenommen würden“, so Frank Mischo. Die Arbeit zeigt Wirkung: Ende Juli konnten weitere Jugendliche nach Deutschland, Luxemburg und Portugal ausgeflogen werden. Insgesamt beteiligen sich neun EU-Staaten an der Aktion, Kinder und ihre Familien von den Inseln aufzunehmen. Bei Redaktionsschluss dieses Magazins hieß es, dass insgesamt 928 Menschen, darunter 243 Kinder und Jugendliche, nach Deutschland kommen werden. „Wir haben mit anderen Organisationen in Deutschland aufnahmebereite Städte identifiziert und werden darauf achten, dass hier wirklich alles wie geplant umgesetzt wird“, bekräftigt Frank Mischo.


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