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Eine Mutter aus Kenia mit ihrem Kind bei einer Sprechstunde beim Arzt (Quelle: Lars Heidrich)
3 Fragen zur Entwicklungszusammenarbeit
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"Diese Entwicklung ist ein Eigentor für die Geberländer"

Der Wegfall der US-Hilfen und die zum Teil massiven Mittelkürzungen vieler europäischer Länder gefährden viele Projekte im globalen Süden. Dorothea Schönfeld, Programm-Managerin für das südliche Afrika bei der Kindernothilfe, hat sich erst vor Kurzem ein Bild von der Lage in Eswatini und Südafrika gemacht und warnt vor großen Rückschritten in der Entwicklungszusammenarbeit. 
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Porträt Dorothea Schönfeld (Quelle: Ludwig Grunewald)
Dorothea Schönfeld (Quelle: Ludwig Grunewald)
Porträt Dorothea Schönfeld (Quelle: Ludwig Grunewald)
Dorothea Schönfeld (Quelle: Ludwig Grunewald)

Wie verändert sich die Arbeit von Organisationen wie der Kindernothilfe durch die Kürzungen im Haushalt für die Entwicklungszusammenarbeit? 

Dorothea Schönfeld: Ich sehe einen deutlichen Unterschied zu den Kürzungen bisher. Bislang betrafen die Kürzungen eher globale Fonds und UN Organisationen und nicht die Projekte von privaten Trägern wie uns. Die Kindernothilfe ist überwiegend durch Spenden finanziert und nur zum kleineren Teil durch öffentliche Gelder, letztere blieben bisher fast unangetastet. Aber in den aktuellen Haushaltsverhandlungen sind die Kürzungen so massiv, dass sogar der Zuschuss für Nichtregierungsorganisationen und private Träger zurückgefahren wird. Und es gibt aufgrund geringerer privater Spenden leider auch keine Möglichkeit mehr, etwas auszugleichen. Wir haben dieses Jahr 20 Projekte im Entwicklungsministerium für die Förderung eingereicht - aber nur acht wurden mit "A" kategorisiert.  A bedeutet, dass das Projekt ziemlich sicher angenommen wird. B sind Nachrücker, und bei C ist man eigentlich raus. In den Jahren davor hat der Großteil unserer Projekte eigentlich immer die höchste Einstufung bekommen. Was bedeutet das? Zum einen stehen unsere Projekte und unsere Projektländer viel stärker in Konkurrenz zueinander. Und zum anderen gibt es kaum noch Möglichkeiten, neue Wege zu gehen, sich auch mit neuen Projektpartnern weiterzuentwickeln und zum Beispiel Projekte mit größerer Reichweite zu fördern als mit spendenfinanzierten Projekten. Wir können jetzt nur bemüht sein, Kontinuität zu wahren, weil wir nicht die Zusammenarbeit mit etablierten Partnern aufkündigen wollen. 
 
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Was hat das für Auswirkungen für die Länder im Globalen Süden?

Es war immer beruhigend zu wissen, dass unsere Partner nicht zu 100 Prozent von uns abhängig sind, sondern dass ihre Förderung auf verschiedene Schultern, auf verschiedene Geber verteilt sind. Aber das hat sich schlagartig geändert, weil die größten Geber weggefallen sind. Natürlich ist es nicht gut, wenn Länder so stark von den USA oder anderen Geberländern abhängig sind, aber finanzielle Unabhängigkeit wird nicht erreicht, wenn auf einen Schlag alle Zahlungen - auch für Grundversorgung wie Gesundheit und Bildung - wegbrechen. Die Not bei den Partnern ist jetzt groß. Ich war im ersten Quartal 2025 in Südafrika und Eswatini, als die USA den Stopp von USAID verkündet hat. Da ging ein Aufschrei durch beide Länder. Wir bekommen jetzt von viel mehr Partnerorganisationen Anfragen für zusätzliche Förderungen, die wir meistens ablehnen müssen. Schwierig ist, dass viele unserer Partner seit dem Wegfall der USAID-Projekte Probleme haben, ihr Personal zu halten und ihre sogenannten Overhead-Kosten, also die indirekten Kosten für (Finanz-)Verwaltung und Software, zu finanzieren. Das muss ja weiterlaufen, denn die Partner müssen alles dokumentieren, um die Transparenz zu wahren. Wenn wir bislang zum Beispiel 20 Prozent dieser Overhead-Kosten mitgetragen haben, fragen uns die Partner jetzt, ob wir die Kosten komplett übernehmen können oder ob wir sogar Projektkomponenten der abrupt beendeten USAID-Projekte übernehmen können. Das ist nicht möglich, weil wir dann keine eigenen Projekte mehr fördern könnten. Es fehlt also an allen Ecken und Enden. Und nur Löcher zu stopfen, ist keine Entwicklungszusammenarbeit. Das ganze System fängt an zu wackeln. 
 
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Welche konkreten Beispiele gibt es?

Gerade im südlichen Afrika, aber auch in anderen Teilen der Welt, ist die Gesundheitsversorgung sehr gefährdet . Hier ist vor allem Eswatini zu nennen, in dem Land wurden 80 Prozent des Gesundheitsetats über USAID finanziert. Wenn von einem Tag auf den anderen keine Medikamente mehr gekauft werden und keine Impfungen mehr stattfinden können, bricht das Gesundheitssystem zusammen. Und die meisten Länder sind nicht so aufgestellt, dass sie das sofort aus eigener Kraft kompensieren können. Momentan leben einige Länder noch von den Reserven, aber die sind schnell aufgebraucht. Es kann gut sein, dass die Zahl der Menschen, die mit HIV leben, jetzt wieder deutlich steigt, weil weniger Projekte zur sexuellen Aufklärung finanziert werden, und dass ihre medizinische Versorgung nicht mehr gewährleistet werden kann. In einer großen Dimension wird sich das aber vielleicht erst in zwei Jahren zeigen. So ist das bei vielen Krisen:  Nach der Corona-Pandemie z.B. hat sich die Zunahme von geschlechtsspezifischer Gewalt auch erst zwei, drei Jahre später abgezeichnet.

Und wenn die Versorgungslage instabil ist, hat das auch Auswirkungen auf andere Kinderrechte. Kinder können dann vielleicht nicht mehr zur Schule gehen, sie sind sich häufiger selbst überlassen und damit auch eher Übergriffen ausgesetzt. Entsprechende Projekte für mehr Schutz werden nicht mehr finanziert. In Eswatini  gab es eine Hotline für Opfer von sexualisierter Gewalt, die wurde von einem auf den anderen Tag abgestellt, weil sie sich nicht mehr finanzieren ließ. Außerdem verschärft all das die ohnehin große Ungleichheit innerhalb der Bevölkerung. Denn am stärksten betroffen von all dem sind die ärmsten Menschen.

Diese ganze Entwicklung ist ein Eigentor für die Geberländer, auch für Deutschland. Denn wenn ein Land instabil ist, Kinder unter schwierigeren Verhältnissen aufwachsen und weniger Schutz bekommen, dann können sie nicht ihr volles Potenzial ausschöpfen und dazu beitragen, dass ihr Land die Versorgung ihrer Bevölkerung ohne externe Unterstützung gewährleisten kann. Das wirkt sich natürlich auf die Migration und die wirtschaftliche Zusammenarbeit aus.  Und es führt auch dazu, dass sich Länder immer stärker anderen (undemokratischen) Geberländern wie China oder Ländern der arabischen Welt zuwenden und Werte wie Demokratie und Menschenrechte in Frage stellen.  Damit wird es keine wirkliche Entwicklung, Chancengerechtigkeit und Zusammenarbeit auf Augenhöhe geben, und viele Länder bleiben in einer Spirale der Abhängigkeit. 

 
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