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Zwei Kinder schauen lachend aus dem Fenster des Schulbusses, der sie sicher zur Schule bringt (Foto: Christian Nusch)
Simbabwe
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Endlich sicher zu Schule

Text: Katharina Nickoleit Bilder: Christian Nusch

Der Zugang zu Bildung ist eines der wichtigsten Kinderrechte. Doch um es zuverwirklichen, müssen die Kinder erst einmal sicher zu Schule kommen. InSimbabwe arbeiten Jugendkomitees daran, das zu verwirklichen.

Die zentrale Busstation der Stadt Gweru ist kein sicherer Ort, schon gar nicht für Kinder. Zwielichtige Gestalten laufen da herum, Kleinbusse stehen dicht an dicht, Menschen drängen sich auf den schmalen Wegen, und in der Kakophonie aus Geschrei und Musik kann man sein eigenes Wort kaum verstehen. Hat es ein Kind in dem Gewühl endlich geschafft, das richtige Vehikel zu finden und einzusteigen, wird es nicht unbedingt besser. „In den Bussen läuft laute Rap-Musik, voller Beleidigungen und Flüche. Es stinkt nach Alkohol, weil viele Fahrgäste betrunken sind. Und auch die Fahrer sind oft nicht nüchtern“, fasst Elton einige der Missstände zusammen.

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Der 17-jährige Elton (links) ist der Sprecher der Jugendgruppe, die es seit fast zwei Jahren gibt (Foto: Christian Nusch)
Der 17-jährige Elton (links) ist der Sprecher der Jugendgruppe, die es seit fast zwei Jahren gibt (Quelle: Christian Nusch)
Der 17-jährige Elton (links) ist der Sprecher der Jugendgruppe, die es seit fast zwei Jahren gibt (Foto: Christian Nusch)
Der 17-jährige Elton (links) ist der Sprecher der Jugendgruppe, die es seit fast zwei Jahren gibt (Quelle: Christian Nusch)

"In den überfüllten Bussen werden wir ständig sexuell belästigt"

Der 17-Jährige ist Sprecher einer Gruppe von Jugendlichen, die sich im Frühjahr 2024 gründete, um zu kartieren, wo es für Kinder gefährlich ist. Im Rahmen dieses „Risk Mappings“ befragten die Jugendlichen rund 300 Kinder. Moderiert wurde der Prozess von Childline, einer alteingesessenen Kinderrechtsorganisation, die seit 2010 Partner der Kindernothilfe ist. Die Antworten waren viel fältig. Zu Hause herrscht harsche Disziplin, in der Schule gibt es immer noch die Prügelstrafe, und beschweren sich Kinder bei der Polizei, fühlen sie sich auch dort nicht sicher. Ein Thema tauchte besonders häufig auf: die Sicherheit auf dem Weg zur Schule.

Mädchen fühlen sich besonders gefährdet. „In den überfüllten Bussen werden wir ständig sexuell belästigt“, erzählt die 16-jährige Malika. Sie sind oft so voll, dass wir uns auf den Schoß von irgendwelchen Männern setzen müssen, die uns dann begrabschen. Das ist sehr unangenehm!“ Viele der Befragten berichteten auch, dass die Fahrer von ihnen sexuelle Gefälligkeiten im Austausch gegen eine Freifahrt verlangten.

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"Ich dachte an meine Kinder"

Childline-Mitarbeiter Blessing Mwenye sammelte die Beschwerden und übergab die Liste den lokalen Behörden. Zunächst passierte nichts – solange, bis Childline alle Beteiligten an einen Tisch holte. Busfahrer und Haltestellenaufseher, Polizei und Jugenddelegierte. „Wir legten die Probleme offen, um zunächst einmal ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es sie gibt“, erinnert sich der Sozialarbeiter. „Dann boten wir allen Fahrern und den Haltestellenaufsehern Workshops zum Thema Kinderrechte an.“

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Zwei Kinder laufen auf einem Weg zwischen Kleinbussen, die dicht an dicht stehen und die Wege dazwischen sind nur sehr schmal. Für Kinder ist das extrem gefährlich. (Foto: Christian Nusch)
Die Kleinbusse stehen dicht an dicht und die Wege dazwischen sind nur sehr schmal. Für Kinder ist das extrem gefährlich. (Quelle: Christian Nusch)
Zwei Kinder laufen auf einem Weg zwischen Kleinbussen, die dicht an dicht stehen und die Wege dazwischen sind nur sehr schmal. Für Kinder ist das extrem gefährlich. (Foto: Christian Nusch)
Die Kleinbusse stehen dicht an dicht und die Wege dazwischen sind nur sehr schmal. Für Kinder ist das extrem gefährlich. (Quelle: Christian Nusch)
„Ich wusste, dass Kinder Rechte haben, aber es war gut, noch mal daran erinnert zu werden und Tipps zu bekommen, wie ich bei meiner Arbeit besser darauf achten kann, dass sie umgesetzt werden,“ meint Keith Museba. Er ist einer von inzwischen 56 Busfahrern, die sich in Gweru dem Projekt „Sichere Schulwege“ angeschlossen haben. Vor dem Workshop hatte er nie darüber nachgedacht, wie sehr es die Kinder verletzt, wenn sie von Passagieren beleidigt und von Betrunkenen angepöbelt werden. „Aber dann dachte ich an meine Kinder und wie wichtig es ist, dass sie sich sicher fühlen. Seitdem ich mir das vor Augen führe, greife ich ein, wenn ich sehe, dass Fahrgäste Kinder beleidigen. Und ich achte darauf, dass kein Kind bei einem Fremden auf dem Schoß sitzt.“ Wenn sein Bus gerade nicht voll besetzt ist, nimmt Keith Museba jetzt auch Kinder mit, die kein Geld für eine Fahrkarte haben.
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Priorität für Kinder

Auch Bismark Seka, der an den Haltestellen aufpasst, nahm sich die Kritik der Kinder zu Herzen. Sie hatten bemängelt, dass Erwachsene sie in den Warteschlangen der Busse einfach zur Seite schubsen. „Ich sorge jetzt dafür, dass sie beim Einsteigen Priorität bekommen, damit sie sich nicht so lange am Busbahnhof aufhalten müssen. Und ich setze sie gezielt in die Busse, die bei dem Projekt mitmachen.“ Welche das sind, ist leicht zu erkennen: Sie sind mit dem Emblem von Childline gekennzeichnet. Die Beklebung macht nicht nur auf das Problem aufmerksam, sondern enthält gleich auch noch eine Notfallnummer, an die sich die Kinder jederzeit kostenfrei wenden können.

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Keith Museba steht vor einem Schulbus. Er ist einer von inzwischen 56 Busfahrern, die sich dem Projekt „Sichere Schulwege“ angeschlossen haben (Foto: Christian Nusch)
Keith Museba ist einer von inzwischen 56 Busfahrern, die sich dem Projekt „Sichere Schulwege“ angeschlossen haben (Quelle: Christian Nusch)
Keith Museba steht vor einem Schulbus. Er ist einer von inzwischen 56 Busfahrern, die sich dem Projekt „Sichere Schulwege“ angeschlossen haben (Foto: Christian Nusch)
Keith Museba ist einer von inzwischen 56 Busfahrern, die sich dem Projekt „Sichere Schulwege“ angeschlossen haben (Quelle: Christian Nusch)

„Wir laufen immer wenigstens zu zweit, aber selbst dann fühlen wir uns nicht sicher“

Nicht nur in der Stadt, auch auf dem Land sind die Schulwege unsicher. Dort sind nicht die Busse das Problem, sondern die Gefahren auf den langen Fußmärschen. Die meisten Kinder laufen mehrere Stunden, schon alleine das ist eine Tortur. Schwillt in der Regenzeit ein Bach an und wird unpassierbar, verlängert sich der Weg noch einmal. Im hohen Gras und hinter Büschen lauern nicht nur Hyänen, giftige Schlangen und andere Wildtiere, sondern auch Männer, die es speziell auf die Mädchen abgesehen haben, erzählt Zula, die gerade mit ihrer Schwester Milele auf dem Weg zur Schule ist. „Wir laufen immer wenigstens zu zweit, aber selbst dann fühlen wir uns nicht sicher“, meint die 15-Jährige. „Besonders unwohl fühlen wir uns in der Nähe von kleinen Läden, denn da lauern oft Männer, die schon etwas getrunken haben.“ Nachdem die Risiken identifiziert waren, schlossen sich hier Eltern zusammen, um die Schulwege sicherer zu machen. Sie bauten gemeinsam eine Fußgängerbrücke über einen Bach, die ihn auch in der Regenzeit passierbar macht. Und sie rodeten an Stellen, an denen es besonders oft zu Überfällen kam, Büsche und schnitten das Gras. „Ich bin froh, dass das Gelände dort jetzt etwas übersichtlicher ist. So haben die Angreifer weniger Möglichkeiten, sich zu verstecken“, äußert die 13-jährige Milele erleichtert.

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Malika (links) ist in der Riskmapping-Gruppe, die Beschwerden über die gefährlichen Busfahrten gesammelt haben (Foto: Christian Nusch)
Malika (links) ist in der Riskmapping-Gruppe, die Beschwerden über die gefährlichen Busfahrten gesammelt hat (Quelle: Christian Nusch)
Malika (links) ist in der Riskmapping-Gruppe, die Beschwerden über die gefährlichen Busfahrten gesammelt haben (Foto: Christian Nusch)
Malika (links) ist in der Riskmapping-Gruppe, die Beschwerden über die gefährlichen Busfahrten gesammelt hat (Quelle: Christian Nusch)
Heute sind auch viele Busse in Gweru sicherer, bestätigt Elton. Doch so ganz zufrieden ist der Sprecher der Jugendgruppe noch nicht. „Wir fordern, dass alle 200 Busfahrer der Stadt die Rechte der Kinder achten. Und wir wollen, dass die Behörden zuverlässig einschreiten, wenn sie es einmal nicht tun.“ Dass ein Umdenken möglich ist, beweisen die Fahrer, die bislang auf freiwilliger Basis bei dem Projekt mitmachen. „Dort hat das Fluchen aufgehört, es werden keine anzüglichen Lieder mehr gespielt, die Fahrer fahren vorsichtiger und werfen betrunkene Passagiere raus. Das ist auf jeden Fall ein Erfolg!“ Und ein kleiner Junge, der zugehört hat, wirft ein, dass er nur in Busse mit dem Childline-Aufkleber steigt. „Denen kann ich vertrauen.“
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Über die Autorin

Katharina Nickoleit interviewt ein Mädchen in einem kenianischen Schutzhaus (Quelle: Christian Nusch)
Katharina Nickoleit
ist freie Journalistin und berichtet seit vielen Jahren mit ihrem Mann, dem Fotografen Christian Nusch, aus unseren Projekten in aller Welt.

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