Wo Kinder hungern: Wie WAZ-Leser in Burundi helfen können
Text: Ute Schwarzwald, Bilder: Jakob Studnar
Masango Hill. Patrick ist noch keine zwei, aber er brüllt wie ein ganz Großer, als ihn die Mutter vorsichtig in die schwankende Schüssel setzt, die an drei Seilen an einer Federwaage aufgehängt ist. Patrick ist einer der ersten, der an diesem Tag beim "Mass Screening" auf Masango Hill, einem entlegenen Dorf in Burundi, gewogen und vermessen wird. Weit mehr als 100 Frauen mit ihren Kindern sind gekommen, geduldig warten sie in der sengenden Sonne darauf, dass ihre Babys an der Reihe sind. Nur einmal im Quartal findet hier eine solche Reihenuntersuchung für die Kleinsten statt. Hier, auf dem Land, wo es weder Trinkwasser noch Strom gibt. Wo man von Landwirtschaft lebt. Wo Kinder Hunger leiden.
"Es ist schwer, Maniok zu beschaffen, wenn man kein Geld hat"
Mehr als eine Stunde ist Pascalsi, 34, mit dreien ihrer sechs Kinder hergelaufen - um sicher zu sein, dass ihr Jüngster, Patrick, sich gut entwickelt. Doch leider, befindet Krankenpfleger Lamek Bikorimana, den sie nur den "Doktor" nennen, nach der Untersuchung: Nein, es gehe Patrick nicht gut. Er sei zu leicht für seine 23 Monate; das Maßband, das er dem Kind um den Arm legt, zeige Warnstufe "Gelb". "Es ist schwer, Maniok oder Süßkartoffeln zu beschaffen, wenn man kein Geld hat", erklärt die Mutter entschuldigend. Für Gemüse reiche es fast nie. Ein Kilo Süßkartoffel koste 1000 BIF. "Nur wenn mein Mann Bananen verkaufen kann, können wir das bezahlen." 1000 BIF sind 29 Cent.Mehr als 40.000 Kinder in Burundi sterben laut Welthungerhilfe jährlich an den Folgen chronischer Unterernährung. Mehr als ein Drittel ist untergewichtig. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist mit 344 Dollar weltweit eines der niedrigsten. In Deutschland liegt es bei 56.087 Dollar. Réseau Bureau 2000 plus (RBU), Partner der Kindernothilfe vor Ort, setzt sich für die Landbevölkerung ein, mit seinen Projekten zur Ernährungssicherung erreicht RBU 20.000 Menschen in 4000 Familien. Das Mass-Screening auf Masango Hill ist ein solches Projekt, das Sie, liebe Leser und Leserinnen, mit Ihren Spenden unterstützen können.
"Der Doktor wird mein Kind heilen"
Die Mütter der "gelben", leicht untergewichtigen Kinder wie Patrick erhalten eine zwölftägige Schulung samt Kochkurs - sie lernen dort, wie sie aus dem Wenigen, das sie haben, das Beste machen; etwa, welche Nährstoffe wichtiger sind als andere. Mütter mit "roten", gravierend untergewichtigen Kindern werden ins vier Kilometer entfernte "Hospital" geschickt, eine kleine Krankenstation, geleitet von Lamek Bikorimana.
Maria Goreti ist hocherfreut, als sie erfährt, dass sie und ihre Asha - ein goldiges Mädchen mit einer schlimmen Schnoddernase - an diesem Tag ins "Hospital" müssen. "Das ist gut, wirklich gut", sagt die 34-Jährige. "Dass der Doktor mein Kind heilen wird. Mir war gar nicht klar, dass es krank ist." Doch Asha bringt mit elf Monaten gerade einmal sechs Kilo auf die Waage, deutlich zu wenig. Und das MUAC-Band zeigt "Rot". Das "Mid-Upper-Arm-Circumference-Maßband" ist in Entwicklungsländern das Werkzeug zur Feststellung einer Mangelernährung.
Das MUAC-Band zeigt, wie sehr ein Kind hungert


Zuri und Asha müssen ins "Hospital"
Im "Hospital", ein paar schlichten Häusern aus rotem Ziegelstein, werden Asha und Zuri auf eine Personenwaage gesetzt. Eine für Kinder gibt es nicht. Das Ergebnis und weitere Untersuchungen bestätigen bei beiden Mädchen: Es muss etwas passieren. Sonst kommt es zu Entwicklungsstörungen durch die Mangelernährung. Sonst verhungern diese Kinder womöglich.

Asha und Zuri werden als Patientinnen aufgenommen und die Behörden des Landes informiert. Burundi führt ein eigenes Register für unterernährte Kinder. Vier Wochen lang werden die Mädchen nun regelmäßig zum Wiegen kommen, betreut und untersucht werden. Sie werden auf Aids und Malaria getestet, oft sind auch diese Krankheiten Ursache einer Unterernährung. Bikorimana wird ihnen zudem ein Mittel gegen Würmer verabreichen und ein Antibiotikum, falls nötig.
"Unterernährte Kinder sollten auch Vitamine erhalten. Eigentlich."


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