Kindernothilfe. Gemeinsam wirken.

Rohingya in Bangladesch – ein schwieriger Neuanfang

Text: Raoul Mulzer, Fotos: Christian Herrmanny

 

Um die 700.000 aus Myanmar geflüchtete Rohingya leben derzeit im Nachbarland Bangladesch. Sie sind Tod und Gewalt im Rahmen ethnischer Säuberungen entkommen, haben sich in Sicherheit bringen können. Teilweise jedenfalls. Denn im größten Flüchtlingslager der Welt ist ihre Situation nach wie vor oft prekär, auch von gewaltsamen Übergriffen durch Sicherheitskräfte wird berichtet. In dieser schwierigen Lage bieten die von uns geförderten Kinderzentren einen geschützten Rückzugsort, in dem Bildung, Betreuung und Spiel stattfinden können.

Das Leben im Flüchtlingslager in Cox's Bazar ist nicht leicht. In dieser ohnehin angespannten Situation sollten Ende November 2018 die ersten der geplanten 2.200 Rückführungen durch Polizei und Militär beginnen. Viele Familien haben die Camps aus Angst vor Repatriierung bereits verlassen, verstecken sich im Wald oder einem der anderen Lager. Das Militär versuchte in diesen Fällen, die Lager vollständig abzuriegeln, und verhängte drastische Ausgangssperren, kam aber erst in den Camps an, nachdem die entsprechenden Familien bereits untergetaucht waren. Bislang konnte keine der Familien rückgeführt werden. Das kontinuierliche Eintreffen weiterer Geflüchteter, die von Gewalt und Misshandlungen in Myanmar berichten, macht dies nicht wahrscheinlicher.


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Die Ablehnung durch die ortsansässige Bevölkerung wächst

Reportage: Rohingya in Bangladesch; Foto: Menschen in einem Flüchtlingslager in Cox's Bazar (Quelle: Christian Herrmanny / Kindernothilfe)
Das Flüchtlingslager in Cox's Bazar
Reportage: Rohingya in Bangladesch; Foto: Menschen in einem Flüchtlingslager in Cox's Bazar (Quelle: Christian Herrmanny / Kindernothilfe)
Das Flüchtlingslager in Cox's Bazar
Auch bei der lokalen Bevölkerung beginnt die Stimmung gegenüber den Neuankömmlingen mittlerweile zu kippen – Hunderttausende Menschen, die nun zu neuen Nachbarn werden. Auch in Bangladesch ist Armut weit verbreitet; oft haben die Alteingesessenen selbst nur das Nötigste zum Überleben. Da hilft es dem sozialen Frieden nicht unbedingt, dass die Geflüchteten in ihrer Verzweiflung bereit sind, zu noch niedrigeren Löhnen zu arbeiten, oder dass sie, wenn sie sich etwa durch Fischfang selbst versorgen, eine Konkurrenz um begrenzte Ressourcen darstellen. Genauso gilt das für die nunmehr überfüllten Koranschulen oder den sich senkenden Grundwasserspiegel. Die bestehende Infrastruktur war auf die Versorgung so vieler Menschen schlichtweg nicht vorbereitet. Auch um deutlich zu machen, dass ein unbegrenzter Aufenthalt in Bangladesch nicht erwünscht ist, lernen die Rohingya in den Schulen die Landessprache Bangla nicht.

Das Leben in den überfüllten Lagern ist schwierig. So viele Menschen auf so engem Raum, das führt zu Konflikten. Die Sicherheitslage ist brüchig, einige vor allem alleinstehende Frauen fühlen sich unsicher. Viele Eltern sind ermordet worden oder nicht mehr da; ältere Geschwister müssen einspringen oder Pflegefamilien die zusätzlichen Kinder aufnehmen.

Hier unterstützen wir einen lokalen Partner, um ein Stück weit Orientierung zu bieten. Neben der Versorgung mit Dingen des Alltags wie Decken, Seife, Matratzen etc. liefert die Kindernothilfe Informationen: Wo bekomme ich medizinische Versorgung? Welche Hilfsangebote gibt es, und von wem werden sie angeboten? An wen muss ich mich für Unterstützung bei diesem oder jenem wenden?


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Die Kinderzentren als Bildungs- und Rückzugsort 

Reportage: Rohingya in Bangladesch; Foto: Kinder im Schutzzentrum malen etwas (Quelle: Christian Herrmanny / Kindernothilfe)
Kinder im Schutzzentrum
Reportage: Rohingya in Bangladesch; Foto: Kinder im Schutzzentrum malen etwas (Quelle: Christian Herrmanny / Kindernothilfe)
Kinder im Schutzzentrum
Da ein Besuch der regulären Schulen in der Regel nicht vorgesehen ist, stellt sich auch das Problem der ausbleibenden Bildungsangebote. Die von der Kindernothilfe finanzierten Kinderzentren bieten hier Abhilfe. Als sogenannte „temporary learning center“ oder „provisorische Schulen“ ermöglichen sie den Kindern im Lager, dennoch weiter zu lernen.

Die Kinderzentren bieten außerdem einen Ort der Ruhe, eine Anlaufstelle inmitten der unübersichtlichen und oft belastenden Umgebung. Hier werden die Kinder betreut, können malen, spielen, lernen. Und das Durchlebte verarbeiten, ein bisschen Frieden finden. In der Regel dauert es, bis die Kinder bereit sind, sich zu öffnen. Die Erzieher und Erzieherinnen sind psychologisch geschult, wissen wie sie die Kinder am besten unterstützen können. Oft verändern sich die von den Kindern gemalten Bilder im Laufe der Zeit, zeigen statt Blumen und schönen Dingen auch Abbildungen der traumatischen Erlebnisse. Dies kann ein Anhaltspunkt für weiterführende Gespräche sein, eine erste Tür. Das Büro des Zentrums dient deshalb gleichzeitig als Rückzugsort für Vier-Augen-Gespräche.

Als Kindernothilfe stehen für uns Kinderrechte im Zentrum unserer Arbeit. Deshalb bemühen wir uns auch in Zusammenarbeit mit unseren Partnern Mädchen und Jungen vor Ort zu schützen, zu fördern und ihnen Möglichkeiten zu Teilhabe zu verschaffen. Dies ist oft herausfordernder, als man zunächst denken mag. Körperliche Gewalt gegenüber Kindern ist weit verbreitet, deren Meinung wird selten als relevant betrachtet. Darüber hinaus sind vor allem Mädchen stark benachteiligt.

Dem versuchen wir mit Bildungsangeboten und Aufklärung sowohl für Kinder als auch für Verantwortliche entgegenzuwirken. Darum gibt es außerdem ein Schutzhaus, in das sich Kinder zurückziehen können, wenn es ihnen in den Pflegefamilien schlecht geht. Und deshalb stehen in den Zentren kleine Briefkästen, in denen Kinder Fragen oder Beschwerden aufgeben können. Auch ganz einfache, niedrigschwellige Aufklärung kann wichtig sein. Wie und wann wäscht man sich am besten die Hände? Oder auch: Welche Entspannungsübungen können mir helfen, zwischendrin etwas Ruhe zu finden?

Der Alltag im Lager ist belastend, unübersichtlich. Die hier Angekommenen haben Schlimmes erlebt, auch ihre Zukunft ist ungewiss. Umso wichtiger ist es da, in den Kinderzentren einen Rückzugsort zu haben, wo all das einmal draußen bleiben kann.
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