Ricardo hat einen Sorgenfresser
Text: Katharina Draub Bilder: Jakob Studnar
Viele Kinder in Brasilien leiden unter Gewalt, Armut und Kriminalität. Vor allem im Nordosten des Landes. In Sete Lagoas, in der Nähe der Millionenstadt
Belo Horizonte, lebt der zehnjährige Ricardo, der Gewalt aus seiner Familie kennt. Um das zu verarbeiten, unterstützen ihn Mitarbeitende eines Kindernothilfe-Partners.
Olá, ich heiße Ricardo. Ich lebe zusammen mit meinem älteren Bruder und meiner kleinen Schwester bei unserer Oma im Haus. Denn unsere Mama kann nicht für uns da sein. Sie lebt auf der Straße, da sie Drogenprobleme hat und immer wieder gewalttätig gegenüber uns wurde. Manchmal kommt sie uns aber doch noch besuchen. Unsere Oma passt sehr gut auf, dass unsere Mutter uns nicht weh tut. Denn Oma findet, dass Kinder mit ganz viel Liebe und Fürsorge erzogen werden sollten. Wenn unsere Mama da ist, schreit sie manchmal sehr viel. Das ist auch Gewalt! Und es macht uns Angst.
Mir helfen die Aktivitäten im Kindernothilfe-Projekt. Direkt nach dem Frühstück laufe ich dorthin, da ich erst am Nachmittag zur Schule gehe. Wir haben bei uns nur halbtags Unterricht. Im Projekt haben wir letztens Sorgenfresser gebastelt. Das sind kleine Figuren aus Papierrollen, die wir angemalt haben. Sie haben auch einen großen, offenen Mund. Wenn wir Ängste und Sorgen haben, schreiben wir diese auf einen Zettel und geben sie dem Sorgenfresser, der sie dann auffrisst.
Ich habe zum Beispiel Angst vor Dunkelheit. Deswegen bin ich auch nicht mehr draußen, sobald es dunkel ist. Wir müssen immer um sechs Uhr abends zu Hause sein, da es
sehr gefährlich in unserer Umgebung ist. Letztens haben Diebe unseren Ofen, der auf dem Hof steht, kaputt gemacht. Mit dem Ofen backt meine Oma immer Brot und verkauft es, um Geld zu verdienen. Wenn ich groß bin, möchte ich Eisverkäufer werden und auch Geld für meine Geschwister und mich verdienen.

