Reiseblog Guatemala (Tag 1): Menschenrechte und Gewalt
Zone Eins liegt im historischen Zentrum der Stadt, rings um die Plaza Mayor. Dazu gehören: die Kathedrale, der ehemaliger Nationalpalast - und unzählige bewaffnete Raubüberfälle. Insgesamt ist die Stadt in 25 nummerierte Zonen aufgeteilt, einige sind reine Wohnviertel, andere ausgehfreundliche Touristenviertel mit Hotels, Kunstgalerien und Cafés. Zone Eins dagegen gehört zu denjenigen Stadtteilen, die aufgrund ihrer hohen Kriminalitätsraten gemieden werden sollen. In "Zone Eins" sollte man sich nicht alleine bewegen. Das erfahre ich gleich an meinem ersten Tag in Guatemala City.
Text: Katrin Weidemann / Bilder: Jakob Studnar
Genau in Zone Eins sind wir mit Mitarbeitenden einer Menschenrechts-Organisation verabredet. Ihre Arbeit begann vor 30 Jahren, zur Zeit des guatemaltekischen Bürgerkriegs, in dem 200 000 Menschen ihr Leben verloren. 45 000 Personen gelten bis heute als vermisst, was diesen bewaffneten Konflikt zum grausamsten in ganz Lateinamerika machte.


Menschenrechte in Guatemala: Eine Organisation kämpft gegen das Vergessen
Während unseres dreistündigen Gesprächs sitzen wir in einem Konferenzraum, an dessen Kopfende ein wandfüllendes Gemälde aus dem Jahr 2009 hängt. Gut 40 Menschen sind darauf abgebildet, jüngere und ältere, manche in Priesterornat, manche in guatemaltekischer Tracht, Frauen und Männer. "Nur eine der Personen auf dem Bild ist noch am Leben", erklärt mir der Leiter der Organisation. "Alle anderen wurden ermordet oder entführt und tauchten nie wieder auf."
Er erzählt von der Arbeit der Organisation: Wie sie während des Bürgerkriegs aus dem ganzen Land Fälle von Menschenrechts-Verletzungen zusammentrugen, und auch nach dem Friedensabkommen 1996 zur Aufklärung vieler Verbrechen beitrugen. Die Opfer des Kriegs bekamen durch ihre Arbeit posthum eine Stimme. Noch immer ist die Erinnerungsarbeit ein Schwerpunkt ihrer Arbeit, genauso wie mittlerweile Trainings zur Bearbeitung von Konflikten in Gemeinden und Programme, die eine Kultur der Gewaltlosigkeit sowie die Umsetzung von Kinderrechten fördern. Es gibt 6,5 Millionen Kinder in Guatemala, erfahre ich, das sind knapp 39% der Bevölkerung. Und die Kinder sind es, die von den Problemen des Landes wie Armut und Gewalt am meisten betroffen sind.


Alltägliche Gewalt in Guatemala-Stadt: Ein Mord, fünf Minuten vom Mittagessen entfernt
Unser Meeting dauert länger als geplant, trotzdem soll ein gemeinsames Mittagessen den Besuch abschließen. Das Lokal sei ganz in der Nähe, heißt es, nur fünf Fußminuten entfernt. Gemeinsam gehen wir über die Plaza Mayor, nähern uns der Straße, in der das Lokal liegt, als wir die Absperrung mit gelbem Flatterband sehen. Der gesamte Straßenabschnitt unseres Lokals ist gesperrt, auf beiden Seiten. Sollen wir umkehren? "No." Unseren Gastgebern folgend schlüpfen wir unter der Absperrung durch. Wir erreichen das Lokal in der Mitte der gesperrten Straße ungehindert. Als wir im Innern sitzen, erfahren wir den Grund für die Absperrung: vor 45 Minuten wurde hier, gleich nebenan, ein Anwalt auf offener Straße erschossen. Er war kurz aus seinem Wagen ausgestiegen, um bei einer Straßenhändlerin Erdnüsse zu kaufen. Von einem Motorrad aus wurde er niedergeschossen. Die Händlerin erlitt einen Streifschuss am Arm, die Täter sind geflüchtet. "Und was möchten Sie essen?" Die freundliche Bedienung reicht uns routiniert die Speisekarten. Sie scheint nicht sonderlich erschüttert. Gewalt ist allgegenwärtig hier. Davon bekomme heute einen drastischen Eindruck, in Guatemala City in Zone Eins.
Weiterlesen: Reiseblog Guatemala Tag 2
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