Farmprojekt: Kindernothilfe schult Kleinbauern in Burundi
Text: Ute Schwarzwald, Bilder: Jakob Studnar
Grégoire und Sérafina Nahimana haben eine Vision: Sie wünschen sich eine bessere Zukunft für sich und ihre sechs Kinder in ihrem Dorf im ostafrikanischen Burundi. Und sie haben weit mehr als nur diese Vision. Sie haben einen konkreten Plan, wie sie zu verwirklichen ist. Auf vier großen Blättern haben sie ihn aufgemalt und an die Wand in ihrer Hütte auf Nzove Hill gepinnt.
Über ihre Partnerorganisation Réseau Bureau 2000plus (RBU) in Burundi unterstützt die Kindernothilfe seit 15 Jahren Kleinbauern-Familien wie die Nahimanas. Die Spenden, die wir von Ihnen, liebe Leser und Leserinnen, im Rahmen unserer diesjährigen Weihnachtsaktion erbitten, sollen auch den "visionären Produzenten" in Burundi und ihren Familien zugutekommen.
Die meisten Menschen in Burundi leben in bitterer Armut
2300 Haushalte erreicht RBU laut deren Vize-Chefin Claudine Murerwa mit dem aktuellen Projekt in der Region Gwisabe bereits. 20.000 Menschen profitierten indirekt von dem Angebot, das RBU unter das Motto "Mboniyongana" stellt. Übersetzt heißt das so viel wie: Ich sehe, wohin ich gehe. Und ich werde dahin gehen!


Die Nahimanas leben mit Tochter Doreen (15), und den Söhnen Kamanzi (13), Kato (12), Joseph (10), Bizi (4) und Rico (2) von dem, was sie ihrem kleinen Stück Land an einem steilen Hang hinter dem Haus abringen können. Aus selbst gebrannten braunen Ziegeln und Lehm haben sie ihr Heim gebaut, das einzige Möbelstück ist eine kleine Bank an einer Wand.
Der weitaus größte Teil der Landbevölkerung Burundis, 90 Prozent, lebt von Landwirtschaft - und in bitterer Armut, sehr viele Menschen hungern. Mais und Bohnen baut man an, Soja, Maniok, Süßkartoffeln, Erdnüsse, Bananen und Amaranth. Doch die Böden sind ausgelaugt, das Saatgut ist schlecht, die Ernteerträge sinken von Jahr zu Jahr. Denn es fehlt an Wissen und Möglichkeiten. Die Dürrezeiten werden zudem immer länger und die Regengüsse danach immer heftiger. "In diesem Jahr hat es bis Ende Oktober gar nicht geregnet", erzählt Grégoire Nahimana. "Der Mais beginnt erst jetzt zu wachsen, vor Dezember werden wir ihn nicht ernten können."
Gutes Saatgut, Dünger und ein bisschen Wissen
RBU hat ihm und seiner Frau Hilfe zur Selbsthilfe angeboten, eine Schulung, in der es um moderne Anbaumethoden, Erosionsschutz und effizientere Erntetechniken ging. In der ihnen gezeigt wurde, wie man Pflanzen vor Schädlingen schützt oder das Land terrassiert, damit der Regen nicht immer wieder den fruchtbaren Boden ins Tal schwemmt. "Wir haben auch gutes Saatgut und etwas Dünger bekommen", erzählt der sechsfache Vater, "unsere Ernteerträge haben sich dadurch deutlich verbessert." Gutes Saatgut, weiß er heute, ist entscheidend im Kampf gegen den Hunger.
Grégoire Nahimana hat zudem lernen müssen, dass die Familie nur gemeinsam weiterkommt, dass er sie in Entscheidungen einbinden muss. "Wir haben wirklich sehr viel diskutiert", stöhnt Ehefrau Sérafina - und alle, die es hören, lachen laut los.


Ein Toilettenhäuschen und ein Dach für die Hütte
Auf dem ersten der vier Blätter, die an der Wand in der Hütte hängen, ist zu sehen, wie die Familie früher ihr Land bewirtschaftete. Auf dem dritten, wie sie es heute tut: "Mais links und Bohnen rechts, nicht mehr durcheinander", erklärt Nahimana stolz. "Dann wächst es besser." Auch ein Komposthaufen ist zu erkennen. Unter einem Dach aus Bananenblätter hat die Familie ihn angelegt, produziert nun dort selbst ihren organischen Dünger. "Hat sich bewährt."
Tatsächlich ist auf dem Bild an der Wand zu sehen, dass die höheren Ernte-Erträge es der Familie bereits ermöglichten, ein Wellblechblechdach für ihr Haus anzuschaffen. "Endlich", sagt Sérafina Nahimana. Stolzer noch als auf dieses Dach ist sie nur auf ihr neues "Toilettenhäuschen", ein ummauertes Loch im Boden, draußen vor der Hütte. "Fließendes Wasser" zum Waschen gibt es auch. Es läuft aus einem Kanister, den die Kinder mehrmals täglich an der Wasserstelle im Dorf auffüllen, in eine Schüssel. Das Schmutzwasser wird zur Bewässerung des lehmigen, roten Bodens verwandt. Nur die Hälfte der Landbevölkerung Burundis hat laut CIA Factbook Zugang zu sanitären Einrichtungen. Strom gibt es nicht einmal in zwei Prozent der Hütten.
200 Kilo Last auf einem Fahrrad
Lasten werden hier noch per Rad transportiert, bis zu 200 Kilo schwere Lasten im Übrigen. Wer von Bujumbura nach Gitega, Burundis Hauptstadt, fährt, sieht Abenteuerliches auf der Straße - und auf einem Moped niemals weniger als vier Menschen. Treibstoff ist jedoch knapp, neun von zehn Tankstellen sind dicht. Ein Auto könnte sich ein Kleinbauer aber sowieso niemals leisten. Grégoire Nahimanas größter Wunsch, ein ganz wichtiger Bestandteil seiner Vision, besonders säuberlich gezeichnet, ist darum: ein gebrauchtes Fahrrad.
Sérafina Nahimana wäre es wichtig, dass ihr Haus auch noch Türen und Fenster erhält. "Bekommst du", sagt ihr Mann und lächelt. "Und etwas Farbe werden wir uns auch noch leisten, damit es schöner aussieht." Das Ehepaar, das so viel von RBU gelernt hat, schult inzwischen selbst andere Familien im Dorf. Jeder der 200 Geschulten soll mindestens zehn weitere ausbilden, so die Idee des Projekts. Ihrer aller Ernteerträge, berichtet Sérafina, seien nun höher als früher, und die Gemeinschaft sehr viel stärker.
Auf dem letzten Blatt des Vision-Plans hat Grégoire dezidiert berechnet, wie viel Geld er für welches Vorhaben benötigen wird, bis 2030. Nicht leicht für einen Mann, in dessen Muttersprache Kirundi das Wort für gestern, "ejo", dasselbe ist wie das für morgen. Eine Million Burundische Francs, hat der burundische Kleinbauer notiert, werden ihn neue Pflanzen kosten, 50.000 der Erosionsschutz. Umgerechnet sind das 443 beziehungsweise 22 Euro. Grégoire und Sérafina werden die Mittel im Sparclub ihres Dorfs beantragen, der ebenfalls mit RBU-Hilfe entstanden ist. Damit es ihre Kinder einmal besser haben.
Über die Autorin




