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Mboyo in Burundi, er floh vor dem Krieg in Kongo (Quelle: Jakob Studnar)

Mboyo träumt von einer Zukunft in Burundi – und von Spaghetti

Der Fünfjährige wird Heimat und Freunde nie wiedersehen. Er floh vor dem Krieg im Kongo nach Burundi. "Ich hatte sehr viel Glück", sagt das Kind.
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Text: Ute Schwarzwald, Bilder:  Jakob Studnar

Rutana. Die Geschichte, die wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, zu Weihnachten 2025 erzählen wollen, handelt nicht vom Christkind, nicht einmal von einem christlichen Kind. Sie handelt von Mboyo, einem kleinen muslimischen Jungen, der vor dem Krieg in seiner Heimat, der Demokratischen Republik Kongo, fliehen musste. Er fand Zuflucht in Burundi, einem kleinen Land, das selbst fast nichts hat. Aber bereit ist zu teilen. 
Wir treffen Mboyo auf unserer Reise für die Weihnachtsaktion von WAZ und Kindernothilfe im Musenyi Flüchtlingscamp. Und wir finden, seine Geschichte passt sehr gut zum Heiligabend. Denn sie erzählt von Licht in dunkler Zeit, von Nächstenliebe und von Hoffnung auf eine bessere Welt. 

 
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Zwei Duschen und vier Latrinen für 1300 Flüchtlinge

"Karibu, Karibu", sagt Mboyos Mutter. Auf Suaheli heißt das "Willkommen". Hadija Wakilongo bittet uns in ihr Heim: das Zelt, das seit Ende Februar ihr Zuhause ist; das ihrer zehnköpfigen Familie im Musenyi Camp zugewiesen wurde; der Ort, an dem sie sich endlich wieder sicher fühlt. 

Ein buntes Tuch trennt den vorderen Bereich, in dem der Besuch empfangen wird, von dem hinteren, in dem die Familie schläft, und wo das Wenige verstaut ist, was ihr blieb. Gekocht wird auf offener Flamme, auf dem freien Fleck vor dem Zelteingang; Dorfbewohner aus der Umgebung bringen täglich Feuerholz. Aber zum Unicef-Tank, in dem es gefiltertes, sauberes Wasser gibt, ist der Weg weit; und mit 1300 anderen Flüchtlingen teilen sich die Wakilongos eine Sanitäranlage: zwei Duschen, vier Latrinen.

Draußen vor dem Zelt trocknen zwei dünne Matratzen. Drinnen gibt es nichts: keinen Tisch, keinen Stuhl. Aber der lehmige Boden ist sauber gefegt. Und Hadija Wakilongo trägt einen feinen, gelben Schal; Mboyo frisch gewaschene Jeans, ein buntes Hemd sowie Schuhe, richtige Schuhe. Niemand im Lager sonst trägt Schuhe. "Nachbarn", erklärt seine Mutter, "haben uns ihre besten Stücke geborgt. Damit wir ordentlich aussehen, wenn der Besuch kommt." 

 
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Viele Kinder in einer Vorschule in einem Zelt im Flüchtlingscamp (Quelle: Jakob Studnar)
(Quelle: Jakob Studnar)
Viele Kinder in einer Vorschule in einem Zelt im Flüchtlingscamp (Quelle: Jakob Studnar)
(Quelle: Jakob Studnar)

Mboyo sagt, ja, zu Hause, im Kongo, da sei es ihm besser gegangen. "Da hatten wir ein Haus, eine Ziege, eine Couch und einen Fernseher. Da hat meine Mutter Spaghetti gekocht und Fisch. Manchmal habe ich sogar Schokolade bekommen. Da hatte ich auch vier Freunde, mit denen ich gern Fußball gespielt habe." Er vermisse seine Kumpel, und die Bohnen, die es nun zu essen gebe, schmeckten ihm nicht.

"Aber ich bin glücklich", schließt der Fünfjährige sofort an, "denn ich weiß, ich habe sehr großes Glück gehabt." Weil er nun in Sicherheit sei; und in diesem Zelt lebe mit seiner Familie. "Man hätte uns ja auch in einer der Sammelunterkünfte unterbringen können", erklärt seine Mutter, "wo die Männer von den Frauen getrennt werden." Aber das Wichtigste überhaupt, sagt der Junge ernst: "Das Wichtigste ist: Wir haben alle zehn überlebt, meine Mutter, mein Vater, meine beiden Schwestern, meine fünf Brüder und ich." Das jüngste Kind der Wakilongis ist zwei, das älteste 17.

Er habe sich sehr gefürchtet, erzählt Mboyo, der Zweitjüngste, als seine Familie in jener Nacht im Februar aufbrach. Dass sie aus ihrer Heimat, dem Kongo, fliehen mussten, dass sie alles zurücklassen mussten - das habe ihr das Herz gebrochen, berichtet seine Mutter. "Der Krieg war uns zu nahe gekommen", erklärt Mboyos Vater Mutimanywa, "so viele Männer sind erschossen worden". 

Aus Planen und leeren Kanistern baute er ein provisorisches Floß, mit dem die Familie in der Nacht über den Rusizi setzten, den Grenzfluss zwischen Kongo und Burundi. Man erzählt sich, dass Gustave darin lebt, ein Monsterkrokodil, 300 Menschen soll es schon gefressen haben. "25 Leute waren wir auf unserem Boot", erzählt Hadija Wakilongo. "Meine hochschwangere Schwester ist heruntergefallen und ertrunken, Mboyo konnte ich in letzter Minute noch aus dem Wasser fischen."

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Zwei Kinder im Flüchtlingscamp Musenyi Lager in Rutana, Burundi (Quelle: Jakob Studnar)
(Quelle: Jakob Studnar)
Zwei Kinder im Flüchtlingscamp Musenyi Lager in Rutana, Burundi (Quelle: Jakob Studnar)
(Quelle: Jakob Studnar)

"Wir sind nun Bittsteller, auf Mitgefühl angewiesen"

Vom Transitlager an der Grenze schickte man die Wakilongis ins Musenyi Camp, eines der fünf Flüchtlingslager im armen, kleinen Burundi. Die DR Kongo, nach Algerien zweitgrößtes Land Afrikas, ist 84-mal so groß. Doch seit Februar, seit der Krieg zwischen Regierung und Rebellen im rohstoffreichen Osten des Kongo vollends außer Kontrolle geriet, strömen die Menschen aus dem Nachbarland nach Burundi. 200.000 sollen nach Angaben internationaler Hilfsorganisationen schon gekommen sein. Für 10.000 Menschen war das Musenyi Camp gedacht bei der Eröffnung Ende 2024, 22.000 leben heute dort. Täglich werden es mehr. 

Mutimanywa Wakilongo sagt: "Wir sind nun Bittsteller. Angewiesen auf das Mitgefühl und Wohlwollen Fremder. Und wir wissen, wir können nie wieder zurück in unsere Heimat. Man würde uns dort sofort erschießen." Mboyos Vater ist ein stolzer Mann. Man spürt, wie sehr er darunter leidet, das eigene Schicksal nicht mehr selbst in der Hand zu haben. Das Schlimmste für ihn und seine Frau Hadija aber ist, "dass wir nicht wissen, wie wir unter diesen Bedingungen unsere Kinder großziehen sollen, ob wir ihnen eine Zukunft bieten können". Im Kongo hätten alle, bis auf das Baby, fleißig gelernt in der Schule. "Das war uns sehr wichtig. Hier ist Mboyo der einzige, der eine Schule besucht." 

 
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Mboyo und seine Eltern im Musenyi Lager (Quelle: Jakob Studnar)
(Quelle: Jakob Studnar)
Mboyo und seine Eltern im Musenyi Lager (Quelle: Jakob Studnar)
(Quelle: Jakob Studnar)

Auf 9.600 wird die Zahl der Drei- bis 18-Jährigen in Musenyi geschätzt, Ende Oktober besuchten nach offiziellen Angaben aber lediglich 2.825 Kinder Sprach- oder Förderklassen, die umliegenden Grundschulen sind völlig überfüllt, im Camp selbst gibt es keine Schulen. Mboyo sagt, auch das sei ein großes Glück, dass er, Mboyo, zur Schule gehen dürfe. Er ist eines der 156 Kinder, die die provisorische Vorschule besuchen, die Help Channel Burundi, Partner der Kindernothilfe vor Ort, nahe des Camps gebaut hat: drei Klassenräume, gezimmert aus Baumstämmen, umhüllt von weißer Plane, bedeckt mit Wellblech: Ein paar grüne Tische und Stühle stehen darin. 

Kirundi und Französisch lernen die kleinen Kongolesen hier, auch Zählen und Schreiben. "Stifte und Hefte haben wir leider aber nicht", sagt Mboyos "Lehrerin", Kavugho Tasiviwe Guilaine. Sie ist Burundierin, unterrichtet die Klassen zusammen mit einem Kollegen aus dem Kongo. Beide sind keine ausgebildeten Pädagogen, sondern von HCB geschulte "Animateurs Pré-Scolaire". Auch an Lehrern mangelt es in Burundi.

Guilaine erzählt, sie sehe, dass die Schule den Kindern Halt und Hoffnung gebe, auch eine Tagesstruktur. Sie sähe, wie dankbar sie dafür seien und dass sie hier aufblühten. Als sie Mboyo nach Hause begleitet, lässt der Junge ihre Hand gar nicht mehr los. Später wird er erzählen: "Wenn ich groß bin, werde auch ich Lehrer."

Einen Tag später, als wir im Camp den Club der Jugendlichen besuchen, schlüpft plötzlich eine kleine schwarze Hand in die der Weißen. "Jambo", sagt Mboyo leise. Heute trägt er ein verschlissenes Shirt, Shorts und Latschen. "Weißt du noch, wer ich bin?", fragt er unsicher. Ja, Mboyo. Du bist ein ganz wunderbares Kind. Eines, das unsere Hilfe und eine Zukunft verdient. 

 
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Über die Autorin

WAZ-Redakteurin Ute Schwarzwald (Quelle: privat)
Ute Schwarzwald
ist seit 1987 Journalistin bei der WAZ heute Redakteurin im Ressort Rhein-Ruhr, vor allem zuständig für Gesundheits- und Medizin-Themen.

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